MCB-GSK Austausch, 1966
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outside City Hall
The following article appeared in the November 1966 issue of Trio,
the Gesamtschule school magazine.

Irlandfahrt

Der 31.August1966 - ein ganz normaler Schultag für normale Sterbliche-, für uns "Iren" der Gesamtschule Kirchhain sollte er der Anfang einer Reise sein, die bestimmt keiner von uns je vergessen wird. Für alle, die nicht dabei sein konnten, hier unser Bericht.

An diesem Mittwoch ging es also für uns los - "es" war vorerst eine 2-tägige und ziemlich strapziöse Reise. Wer in der glücklichen Lage war, mitten auf dem Boden zwischen Hunderten van Gammlern ein wenig schlafen zu können, wurde sicher von Herrn Holeczek in die bittere Wirklichkeit zurückgerufen - schließlich brauchte er seine Spieler zum Doppelkopf - zu jeder Tages - und Nachtzeit.

Einen ganzen Tag Aufenthalt hatten wir in London. Jedem, der noch nicht da war, sei gesagt: London ist eine herrliche Stadt. Wir vergaßen unsere Müdigkeit und marschierten tapfer vom Trafalgar-Square zum Big Ben, vom Buckingham Palace (The Changing of the Guard fiel wegen Regen aus) zum St. James Park, und in unserem grenzenlosen Optimismus, schon alles zu schaffen, sahen wir uns sogar noch den Tower an.

Vom Rest der Reise über die irische See schweigen wir lieber - keiner von uns denkt gerne daran zurück! Egal wie, am 2. September morgen, waren wir endlich am Ziel, und besorgte irische Väter und Mütter konnten ihre Kinder und deren Gäste in die Arme schließen. Den ersten Kontakt mit der Schule (Methodist College) hatten wir erst einige Tage später . Dafür war er aber umso feierlicher. Der Headmaster persönlich begrüßte uns im Lehrerzimmer. Er präsentierte uns ein "Program of Visits",das uns erst einmal den Atem nahm: uns blieb kaum eine Sekunde freie Zeit; Besichtigungen und Besuche jeden Tag. Vielleicht sollte hier wieder gut gemacht werden, was wir an unseren irischen Gasten versäumt hatten? Sehr begeistert waren wir damals nicht, aber zurückblickend, sind wir doch alle froh,so viel gesehen zu haben.

Alle interessanten Dinge in der Stadt wurden uns mit großem Besitzerstolz gezeigt: Das Transport-Museum mit wundervollen alten Autos und Straßenbahnen,für unsere Jungens ein besonderes Erlebnis, eine Leinenfabrik in der Stadt, - wir zerrissen natürlich eine kunstvoll aufgespannte Fadenreihe, aber man verzieh den Gästen vom Kontinent großzügig ihre Dummheit -, Museen, eine Ausstellung für moderne Kunst und die Druckerei des Belfast-Telegraph. Am nächsten Tag war sogar ein Bild von uns in der Zeitung. Mit jeder Führung war selbstverständlich ein "afternoon tea" verbunden, der eher einer großen deutschen Kaffetafel glich.

Am meisten begeistert waren wir alle von einer sehr kalorienreichen Führung durch lrlands größte Bisquitfabrik und von dem Gang durch Stormont, dem nordirischen Parlament. Sogar auf dem Toiletten-Papier dieses großartigen Gebäudes stand "Government's Property" .

Aber das waren noch lange nicht die Hauptattraktionen. Man hatte für uns eine Fahrt nach Dublin arrangiert. (Unsere Partner bekamen sogar schulfrei dafür, eine äußerst seltene Angelegenheit am Methodist-College.) Und als allererste Fremde durften wir sogar ins streng bewachte Harbour Estate. (Bitte verraten Sie keine geheimen Einzelheiten !)

Ich glaube, man kann schon sehen, wieviel uns geboten wurde. Uns blieb nur wenig Zeit, einige Schulstunden zu besuchen (so traurig waren wir darüber eigentlich gar nicht), und innerhalb der Schule saßen wir Deutschen eigentlich nur im Essensraum. Was mögen 1500 irische Schuler jetzt für einen Eindruck von der deutschen Eßlust haben !

3 Wochen gehen schnell vorbei, wenn sie ausgefüllt sind. Denn schließlich hatten wir ja noch die Wochenenden für uns: Unsere Gastgeber fuhren mit uns zum Carrickfergus Castle, zeigten uns Giant's Causeway und versuchten.uns so gut wie möglich zu erklären, warum die Steine der Causeway sechseckig seien. Komisch, daß jeder eine andere Erklärung dafür hatte.

Das Verhältnis zu unseren Gastgebern war sehr gut - zwei Parties in der Woche wurden bestimmt für uns arrangiert, und jeder hatte Verständnis dafür, daß wir lieber im "News and Cartoons" um die Ecke saßen als in der Schule.

Außer einigen Extrakilos mehr (die Iren haben zwei warme Mahlzeiten am Tag) brachten wir viele schöne Erinnerungen aus diesem "Urlaub im Schlaraffenland" mit zurück nach Deutschland. An dieser Stelle noch einmal vielen Dank an Frau Dr. Happel und Herrn Holeczek ohne die die Reise nur halb so schön gewesen wäre. Während Frau Dr. Happel, stets an ihrem Teppich nähend, Helferin bei allen Beschwerden und Wehwehchen war, brachte uns der doppelkopfwütige Herr Holeczek mit seinem wahrhaft englischen Humor oft genug in ein Stadium der leichten Raserei. Vielen Dank, Sie waren großartig.

  Angelika Franz, OIIs